Zugpünktlichkeit in Deutschland wiederherstellen. Das ist die neue Herausforderung für die erste Frau an der Spitze des deutschen Bahnkonzerns Deutsche Bahn: Die Italienerin Evelyn Palla. Bundesverkehrsminister Patrick Schniederm hat sie zur CEO ernannt, um die Krisensituation im Schienenverkehr in Deutschland zu verbessern und die drei Ziele Pünktlichkeit, Sauberkeit und Sicherheit zu erreichen.
Zum ersten Mal in 200 Jahren Geschichte wird das deutsche Unternehmen von einer Frau geführt. Für Palla beginnt eine „neue Ära“, geprägt von „einem Neuanfang für unsere Kundinnen und Kunden, aber auch für unsere Mitarbeitenden“.
Wer ist die neue CEO
Sie ist Jahrgang ’73, stammt aus Bozen, hat eine wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung, schloss 1997 ihr Studium an der Universität Wien ab und spezialisierte sich auf Betriebswirtschaft, Controlling und Buchhaltung. Nachdem sie bei Siemens in Großbritannien, beim Halbleiterhersteller Infineon und beim Energiekonzern E.ON – wo sie zwischen 2008 und 2011 das Büro in Mailand leitete – tätig war, stieg sie 2019 in den Schienenverkehr ein. Zuvor arbeitete sie für die österreichische ÖBB und seit 2019 für die Deutsche Bahn, wo sie als Finanzverantwortliche in der Rolle des CFO einstieg. Seit drei Jahren leitet sie den regionalen Verkehr.
Seit 2022 fährt der Regionalverkehr wieder zu rund 90 Prozent pünktlich, dank der Arbeit des von Palla geführten Vorstands, der es geschafft hat, die Bilanz wieder in die Gewinnzone zu bringen. Sie kann Züge nicht nur managen, sondern auch selbst steuern, nachdem sie den Führerschein als Lokführerin und als Lkw-Fahrerin erworben hat.
Züge wieder pünktlich machen
Die neue CEO steht vor der Leitung eines Unternehmens, dem eine Reihe offener Aufgaben bevorsteht, die sich im Laufe der Zeit verschärft haben. Die deutschen Züge waren einst ein Symbol der Pünktlichkeit und haben sich zu Anzeigetafeln der Verspätungen entwickelt, und die Fahrgäste sind immer unzufriedener. In der ersten Hälfte des Jahres 2025 erreichte nur 63,4 Prozent der Fernzüge eine Ankunft mit weniger als 15 Minuten Verspätung; die Modernisierungsarbeiten an den 40 kritischsten Strecken liegen bereits fünf Jahre im Verzug und werden voraussichtlich erst 2035 abgeschlossen sein.
Die Bundesregierung hat das Ziel gesetzt, bis 2029 mindestens 70 Prozent der Fernzüge pünktlich fahren zu lassen. Ein Ziel, das unter den ursprünglichen Ambitionen der Bahn liegt, die bereits 75 Prozent bis 2027 angestrebt hatte, vom Minister als „unrealistisch und unerreichbar“ bezeichnet. Mittelfristig soll die Pünktlichkeit mindestens 80 Prozent erreichen, langfristig 90 Prozent. „Um diese Ergebnisse zu erreichen, ist Evelyn Palla die beste Wahl“, betonte Schnieder.
Weitere Herausforderungen
Der Fokus richtet sich nicht nur auf die Fahrpläne, sondern auch auf die finanzielle Tragfähigkeit, da die Deutsche Bahn trotz des Verkaufs von Schenker an den dänischen Konzern DSV stark verschuldet ist. Palla folgt auf Richard Lutz, dessen Abschied Mitte August bekannt gegeben wurde und der das Amt in einer sehr schwierigen Phase für die Gruppe verlässt, die seit langem im Chaos steckt.
Der italienische Lösungsweg
Palla zeigte sich der ganzen Problemlage, die sie übernommen hat, bewusst und bereit, dem Schienenverkehr in Deutschland neue Impulse zu geben. „Wir wissen, dass die Deutsche Bahn sich ändern muss: Sie muss transparenter, mutiger, schneller werden – und wir werden sie verändern“, sagte die Italienerin bei einer Pressekonferenz. Zunächst wird sie darauf setzen, die Bürokratie zu entschlanken. Die Organisation des Verkehrs sei durch eine Flut von Akten und durch doppelte Strukturen in den Abläufen verlangsamt worden. „Weniger Papier, mehr Taten“, so Palla, die darauf abzielt, alle Doppelstrukturen abzubauen. Für österreichische Leserinnen und Leser mutet dieser Ansatz wie eine ähnliche Debatte auch bei der ÖBB an.
Die Gleise erneuern
Die „neue Ära“ wird auch auf die Modernisierung der Infrastruktur und der Gleise setzen: „Wir erledigen unsere Hausaufgaben ohne Ausreden, aber auch der Staat muss seinen Beitrag leisten“, schloss Palla und verwies auf die Finanzierung.